Unsere Statistik für Februar 2016 hat einen Migrationsanteil von 52 % aufgewiesen und unsere Kinder und ihre Familien kamen aus 12 verschiedenen Nationen. Hierbei muss betont werden, dass einige Familien aus sogenannten bilingualen Familien kommen, in der ein Elternteil deutscher Herkunft ist bzw. die Familien schon über mehrere Generationen in Deutschland leben und damit für so einige Kinder die deutsche Sprache und Kultur zu ihrer Identität gehören und sie wie selbstverständlich sich in mehreren Kulturen und Sprachen zu Hause fühlen.
Offenheit und Akzeptanz werden bei uns mit Leben gefüllt, indem wir versuchen, Eltern unterschiedlichster Herkunft mit in unsere Arbeit einzubeziehen und mit ihnen im stetigen Austausch stehen. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass Toleranz und das Wissen um kulturelle Besonderheiten auf der einen Seite, sowie klare Regeln und die Einhaltung von für uns wichtige Werte, auf der anderen Seite, ein Miteinander von vielfältigen kulturellen Familien- und Lebensverhältnissen ermöglicht. Oftmals stellen diese vielfältigen Begegnungen und Einblicke in andere Kulturen und Lebensformen eine Bereicherung für unsere pädagogische Arbeit dar. So lernen wir bei Projekten und Feiern nicht nur andere Speisen sondern z.B. auch andere Lieder, Gedichte, Kleidungsstücke und religiöse Symbole kennen.
In unserem Team ist es uns wichtig, sich mit anderen Werten und Normen, Lebensformen und Erziehungsstilen auseinanderzusetzen. Hierbei hilft uns, dass wir durch das Bundesmodellprojekt „Sprach-Kitas: Weil Sprache der Schlüssel zur Welt ist“ bspw. an Fortbildungen zur „integrativen Sprachbildung“ und zur „interkulturellen Pädagogik“ teilnehmen können. Über dieses Projekt " verfügen wir zudem zusätzlich über eine halbe Stelle, die durch eine Sprachförderkraft besetzt ist.
Sie organisiert und leitet Teamfortbildungen, begleitet Elterngespräche und steht Mitarbeitern und Eltern als Ansprechpartnerin zur Verfügung. Weiterhin gibt sie uns Anregungen im Rahmen der alltagsintegrativen Sprachbildung, sowie in der gezielten sprachfördernden Kleingruppenarbeit, die sie mit den Kindern umsetzt.
In den letzten Monaten sind vermehrt Flüchtlingsfamilien zu uns gekommen, die direkte Flucht- und z.T. auch Gefangenenerfahrungen durchlebt haben. So haben wir zunehmend Flüchtlingskinder aufgenommen. Es war für uns schön zu erleben, wie schnell und gut die Kinder im „Hier und Jetzt“ angekommen sind. Wir konnten ihnen die Möglichkeit geben, in Ruhe vertrauensvolle Beziehungen zu uns Erzieherinnen aufzubauen, wobei die Eltern diese Phase begleitet haben und so sehen konnten, wie ihr Kind in unserer Kindertagesstätte angekommen und aufgenommen wurde. Hierbei kam uns zu Hilfe, dass wir 2 Mütter im Kindergarten haben, die arabisch, kurdisch und deutsch sprechen und immer wieder spontan als Übersetzerinnen einspringen. Zudem stehen uns verschiedene Ansprechpartner als Dolmetscher für verschiedene Sprachen zur Verfügung.
Zudem sind bei uns 4 zweisprachige Lesepaten mit verschiedenen Muttersprachen(griechisch, türkisch, arabisch, kurdisch, deutsch) im Einsatz. Diese lesen, spielen und singen gemeinsam mit deutschen und Migrationskindern in einer Kleinstgruppe. Die Kinder nehmen so Lieder und Wörter in spielerischer Form in verschiedenen Sprachen wahr und lauschen ganz gespannt der anderen Sprache, wobei sie hin und wieder sogar versuchen sich gegenseitig verschiedene Wörter beizubringen. Angeleitet und in regelmäßigen Abständen begleitet werden die Lesemütter von unserer Sprachförderkraft.
Schön zu sehen ist, wie die zweijährigen Kinder fast simultan die deutsche Sprache erlernen und keine Berührungsängste zu den anderen Kindern zeigen. Andersherum kümmern sich die „alteingesessenen“ Kinder liebevoll und unbefangen, unterstützt mit viel Körpersprache, um die „Neuen“. So zeigen sie ihnen ihre „Spielecken“ und ihr Lieblingsspielzeug, begleiten sie zum Frühstück, in die Turnhalle oder in ihre geheimsten Verstecke im Garten.
Die 4-5jährigen Kinder haben es entwicklungsbedingt etwas schwerer mit dem Erwerb der neuen Sprache. Sie sind z.T. am Anfang etwas schüchterner, beobachten und hören erstmal, bevor sie sich trauen, erste deutsche Worte zu nutzen. Diese Zeit geben wir ihnen. Über Sing-, Klatsch,- Bewegungs- und Reimspiele, die sich oft wiederholen, sind fast alle Kinder zu erreichen und mit viel Freude dabei.
Unsere Kinder haben die Möglichkeit, neue Wörter, mit all ihren Sinnen zu erfassen.
Wir lassen zum Beispiel:
- ganz bewusst Lebensmittel „er-schmecken“,
- Präpositionen erleben (unter, neben, auf dem Tisch oder im Kartoffelsack)
- „Lebensmittel und die dazugehörigen Worte“ in Supermärkten suchen und finden
- Kleidungsstücke anziehen oder in einen Koffer packen und benennen
Handlungsbegleitendes Sprechen, offene Fragen sowie ein korrektives, erweiterndes Feedback gehören zu unserem pädagogischen Alltag. Ausflüge in die nähere Umgebung bereichern den Kindergartenalltag, wecken die Neugier und das Interesse nicht nur unserer „Flüchtlingskinder“. Diese Spaziergänge oder Ausflüge in die Stadt, regen zum Sprechen an, bringen Spaß und Freude und stärken das Gemeinschaftsgefühl. Mit der Zeit trauen sich auch die älteren Kinder, Wörter der neuen Sprache einzusetzen, meist aus der Situation heraus und um etwas für sich zu erreichen.
Mit der Zeit sind sie zu recht sehr stolz darauf, wenn sie etwas in 2 Sprachen benennen können und haben Spaß dabei, uns beim Erlernen einiger Wörter in ihrer Sprache zu unterstützen, was uns Erziehern eindeutig schwerer fällt als den Kindern.
Insgesamt haben wir den Eindruck, dass die Familien sehr aufgeschlossen und interessiert an deutschen Erziehungs-und Bildungszielen sind. Dies merken wir auch daran, dass die Mütter dieser Familien, fast alle unser „Rucksackprojekt“ besuchen. In diesem Projekt treffen sich Mütter aus verschiedenen Nationen, einmal die Woche für 2 Stunden. Sie werden in dieser Zeit von 3 Elternbegleiterinnen betreut, die ihnen Anregungen, Tipps und spielerische Angebote zeigen, die sie zu Hause mit ihren Kindern in ihrer Muttersprache umsetzen können, um sie in ihrer sprachlichen Entwicklung zu fördern. Sie erhalten die benötigten Materialien dazu in ihrer Familiensprache. Bei uns im Kindergarten werden die Themenfelder(Kleidung, Familie, Körper…), die gerade behandelt werden, in deutscher Sprache in Angeboten und Projekten mit aufgegriffen. Die Elternbegleiterinnen sind selbst mehrsprachige Mütter, die von der Region Hannover geschult wurden, um eine derartige Gruppe begleiten und anleiten zu können. Selbstverständlich haben die Mütter in dieser Gruppe zudem die Gelegenheit, sich untereinander auszutauschen.
Wir haben das Glück, dass die Kinder in unserer Kindertagesstätte zusammen mit ihren Familien zu uns gekommen sind und keinen Verlust von ihren wichtigsten Bezugspersonen erfahren mussten. Insbesondere in den Erstgesprächen hören wir dennoch von traurigen Schicksalen und schrecklichen Fluchterfahrungen. Gleichzeitig schauen diese Familien zumeist voller Zuversicht und Hoffnung auf ihre Zukunft in Deutschland. Die Eltern sind dankbar für ein Lächeln und eine freundliche Auf- und Annahme ihrer Person und ihres Schicksales. In unserem Eingangsbereich begrüßen "Willkommensplakate" in verschiedenen Sprachen die Familien.
Bisher sind uns bei den Kindern noch keine traumatischen Symptome aufgefallen. Vielmehr haben wir das Gefühl, dass die Kinder sich wohl fühlen, gerne kommen und relativ schnell erste Kontakte auch zu deutschsprachigen Kindern knüpfen. So müssen schon mal Geburtstagseinladungen übersetzt werden.
In jedem Fall haben wir alle festgestellt, dass das „Lachen“ aber auch das „Zornig oder traurig sein“ bei Kindern aller Nationalitäten in Mimik und Gestik sehr ähnlich ausfällt. Gemeinsam zu lachen, zu singen, zu tanzen und sich zu bewegen bringt viel Freude und Spaß. Gemeinsam zweisprachige Bilderbücher anzuschauen, zu kuscheln und zu trösten ist ohne viele gemeinsame Worte möglich und dies ist einfach ein beruhigendes und schönes Gefühl.
Für die Stiftskindertagesstätte
Sylvia Löhmer-Lenz, Leitung
Ute Kopper, Sprachförderkraft